Pathologischer Narzissmus ist ein Störungsbild, das das innere Selbstwertgefühl auf suboptimale und nachteilige Weise für die betroffene Person selbst und andere reguliert. Bei Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung können Anteile vorhanden sein, die sowohl idealisiert und überhöht als auch "toxisch" (schwer verträglich) nach innen wie nach außen wirken.
Menschen mit einer unbewussten narzisstischen Seite reflektieren diese selten und finden leider umso seltener den Weg in eine Therapie. Deshalb spreche ich auch das Umfeld an, das oft mehr unter der narzisstischen Persönlichkeit leidet als der Narzisst selbst. Da Menschen mit einer ausgeprägten narzisstischen Seite oft selbst kein Problem wahrnehmen, weniger über ihre eigene Persönlichkeitspathologie berichten und selten die Notwendigkeit spüren, ihre verborgene narzisstische Wunde und die damit verknüpfte übertriebene Abwehr anzusprechen, ist es wichtig, Angehörige und das Umfeld als Informationsquelle in die Befunderhebung einzubeziehen. Dies entspricht der modernen, wissenschaftlichen Herangehensweise bei Persönlichkeitspathologien und steht im Einklang mit einer lösungsorientierten, psychotherapeutischen Haltung.
Anstatt Verantwortung für das eigene Handeln bewusst zu übernehmen, neigen Menschen mit einer auffälligen Persönlichkeitsstörung dazu, schwierige Anteile als Projektionen auf andere zu delegieren. Ich biete an, diese spezielle, unbewusste Mechanik der Psyche gemeinsam mit den Betroffenen zu untersuchen und Lösungswege zu finden. Manchmal gelingt dies auch. Dabei gilt, dass die eigene Selbsterkenntnis der erste Schritt zur Besserung ist und dass das menschliche Grundrecht zur freien Entfaltung der eigenen Persönlichkeit für alle gilt. Dieses Grundrecht endet jedoch, wenn die eigene Persönlichkeitspathologie die Grenzen anderer Menschen empfindlich fordert und sogar verletzt. Hier endet diese persönliche Freiheit.
In der Therapie versuche ich gemeinsam mit dem Klienten, die unbewussten, dysfunktionalen Mechanismen der Selbstregulierung aufzudecken und zu entlarven. Dies kann ein schmerzlicher Prozess der Selbsterkenntnis sein, den nicht jeder wagt. Aber es gibt Hoffnung! Von einer alternativen und besseren Selbstwertregulation profitiert im besten Fall nicht nur der Klient selbst, sondern auch dessen Umfeld.
Narzissmus in all seinen Facetten betrifft gleichermaßen Männer und Frauen. Oft wird mir ein Ehemann als "Narzisst" vorgestellt, was sich nicht immer bestätigt. Stattdessen ist es manchmal die Ehefrau, die ihren eigenen Narzissmus noch entdecken muss. Jeder Mensch hat mit der selbstbezogenen Regulation des eigenen Selbstwertgefühls zu kämpfen.
Mehr dazu hier!
Narzissmus verbirgt sich häufig hinter Selbstlosigkeit, Selbstaufopferung und Neurotizismus. In romantischen Beziehungen sind Menschen selten abhängig organisiert, sondern teilen eine ähnliche psychische Struktur, unter der beide durch wechselseitige Effekte leiden. Dennoch darf dabei nie übersehen werden, wer die größere Persönlichkeitsstörung hat. Wenn eine Person sehr dominant ist, fehlt der anderen oft die Fähigkeit zur Abgrenzung und Konsequenz. Das führt zu Angst und setzt die Beziehungskultur in einem dysfunktionalen Modus fort, statt sie hilfreich und nachhaltig zu verändern.
Es klingt vielleicht pathetisch, aber es ist wahr: Es gibt einen Weg, das unreife und empathielose innere Kind in einen wohlwollenden Begleiter heranreifen zu lassen, dem die kreative und große Kraft des Narzissmus zur Verfügung steht, um daran innerlich zu wachsen. Dann kann der Grandiosität und Idealisierung etwas Hilfreiches hinzugemischt werden, wie mehr Empathie, Weitsicht, Gelassenheit und Respekt.